Wenn ich mich mit Freunden treffe, haben wir uns oft lange nicht gesehen, es ist viel passiert und ich möchte viel erzählen und viel wissen. Ich habe das Gefühl, dass die Zeit nie reicht, rede schnell, versuche möglichst viel in dieser kurzen Zeit zu „schaffen“. Wenn ich mit meinen Geschwistern telefoniere oder mit meinem Mann ein paar ruhige Minuten habe, entsteht oft eine fast schon philosophische Unterhaltung, bei der man versucht den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch hier fühle ich mich oft gehetzt, weil ja bald das Mittagessen ansteht oder Ähnliches. Alles was ich sagen möchte, kommt mir so wichtig vor. Im Nachhinein fühle ich mich meist erst aufgeladen, als wären meine Bindungsakkus wieder geladen worden. Doch kurze Zeit später setzt der Kritiker ein. Warum hast du dieses oder jenes gesagt? Hat dein gegenüber das vielleicht falsch verstanden? Hättest du mal öfter ausreden lassen! Um präsenter im Gespräch zu werden, ist die nächste Gewohnheit: Ausreden lassen!
Als erstes merke ich, wie oft ich unterbreche bzw. den Drang habe zu unterbrechen. Als zweites merke ich, wie oft ich unterbrochen werde. Muss ich eigentlich jemanden, der mich unterbricht, ausreden lassen? Als drittes merke ich, wie schnell ich gelangweilt bin und meine Gedanken wo anders hinwandern. Als viertes merke ich, dass ich entspannter bin, wenn ich nicht jeden Gedankenfurz mitteilen muss und dass dabei nichts Wichtiges verloren geht. Es entsteht ein größerer Respekt für mein Gegenüber.
Ich habe mal einen ganz tollen Satz gehört: Menschen wollen nicht beurteilt, sondern beachtet werden. Wir wollen alle wahrgenommen werden. Spüren oft die Meinung des Gegenübers unterschwellig, ohne dass ein Wort gefallen ist. Manchmal interpretieren wir dies auch einfach hinein aus einem geringen Selbstwert heraus.
Leider ist das keine Minigewohnheit, denn sie verlangt viel Aufmerksamkeit. Ich möchte es trotzdem versuchen.